Sprache, die verbindet - für alle Menschen

Was ist Gewaltfreie Kommunikation (GfK)?

"Willst du lieber Recht haben oder glücklich sein?
Beides zusammen geht nicht." 
(Marshall B. Rosenberg)

Dr. Marshall B. Rosenberg war Psychologe und Schüler von Carl Rogers. Er war ein international bekannter Konfliktmediator und Gründer des Center für Nonviolent Communication in den USA. Er wurde am 6.10.1934 in Canton, Ohio geboren und starb am 7.2.2015 in Albuquerque in New Mexiko.

Er entwickelte die Gewaltfreie Kommunikation vor 40 Jahren in den USA und vermittelte sie erfolgreich auf der ganzen Welt. Sie wird in Schulen, Unternehmen, Institutionen zwischen einzelnen Menschen und Gruppen eingesetzt und spielt eine wichtige Rolle zur Friedensförderung in Krisengebieten.

Grundannahmen der Gewaltfreien Kommunikation

  • Das Ziel der GfK ist eine Beziehung, deren Basis Offenheit und Mitgefühl ist.
  • Gefühle sind nicht gut oder schlecht, positiv oder negativ. Sie sind ein Ausdruck, ob unsere Bedürfnisse erfüllt sind oder nicht.
  • Andere sind nicht für unsere Gefühle verantwortlich.
  • Alle Menschen haben die gleichen Grundbedürfnisse.
  • Wenn wir unsere Bedürfnisse aussprechen, dann steigt die Chance, dass sie erfüllt werden.
  • Wenn wir die Bedürfnisse und Gefühle des anderen hören, dann erkennen wir die Menschlichkeit, die wir gemeinsam haben.
  • Hinter jedem aggressiven Verhalten steckt ein Bedürfnis.
  • Gewalt kommt von dem Glauben, dass andere Menschen unsere Schmerzen verursachen und dafür Strafe verdienen.
  • Urteile über andere sind entfremdete Äußerungen unserer eigenen, unerfüllten Bedürfnisse.
  • GfK ist ein einfaches Modell, aber schwierig zu lernen, besonders mit dem eigenen Partner, Eltern, Kindern oder sonstige Autoritätspersonen.
  • Die 2 Teile von GfK: sich selbst offen ausdrücken und andere Menschen empathisch aufnehmen.

Manchmal wird die GfK als "Sprache des Herzen", "Giraffensprache", "einfühlsame und verbindende Kommunikation" oder auch "wertschätzende Kommunikation" bezeichnet.

 

Empathie

Empathie bedeutet ein respektvolles Verstehen anderer Menschen. Wir neigen dazu Ratschläge zu geben, zu beschwichtigen oder unsere eigene Position, Gefühle darzulegen.    In der GfK konzentrieren wir uns einfach auf die Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten des Anderen. Wir geben das Gehörte mit eigenen Worten wider, wie wir es verstanden haben. So hat unser Gegenüber die Gelegenheit, all das, was in ihm/ihr vorgeht, vollständig zum Ausdruck zu bringen.

Carl Rogers beschrieb die Wirkungen der Empathie. "Wenn ... dir jemand wirklich zuhört, ohne dich zu verurteilen, ohne dass er den Versuch macht, die Verantwortung für dich zu übernehmen oder dich nach seinem Muster zu formen - dann fühlt sich das verdammt gut an. Jedesmal, wenn mir zugehört wird und ich verstanden werde, kann ich meine Welt mit neuen Augen sehen und weiterkommen. Es ist erstaunlich, wie scheinbar unlösbare Dinge doch zu bewältigen sind, wenn jemand zuhört." (Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation 2013, S. 133)

Um Empathie geben zu können, brauchen wir selbst Empathie. Wir beobachten uns, was in unserem Inneren passiert, spüren unsere Gefühle und Bedürfnisse, die sich hinter unserem Denken und Tun verbergen. Mit Selbstempathie versuchen wir Strategien zu finden, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Wir denken darüber nach, was wir uns wünschen, um mit uns selbst eine Verbindung herzustellen. 

 

 Mögliche Gründe für Konflikte und Streitgespräche

  • Wir bekommen nicht, was wir wollen
  • Wir sagen nicht klar, was wir wollen
  • Wir wissen oft nicht, was uns wirklich wichtig ist
  • Wir achten zu wenig auf unsere wahren Gefühle, die uns zeigen, was uns wichtig ist
  • Unsere Aufmerksamkeit richtet sich meist auf Urteile, Vorwürfe, Bewertungen, Interpretationen - eine weit verbreitete Angewohnheit

Die 4 Komponenten der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg

Beobachtung / Wahrnehmung

Der erste Schritt für eine wertschätzende Kommunikation ist, Beobachtung und Bewertung zu trennen.

Dafür ist folgendes zu berücksichtigen:

  • Fokus auf die Gegenwart - im hier und jetzt
  • Bei der Beobachtung gibt es kein richtig oder falsch, gut oder schlecht
  • Identifizieren des Auslösers ( Frage: Worauf reagiere ich?)
  • Akzeptieren, wer was gemacht hat - ohne Schuldzuweisung
  • die eigene Interpretation herausnehmen aus dem, was wirklich passiert ist
  • Beim Bewerten neigen wir zum Schubladen denken - typ. Männer, Frauen, bestimmte Berufe,.... Das erfüllt die Bedürfnisse der Sicherheit, Klarheit und Ordnung, verhindert aber oftmals den direkten Kontakt, Verstehen und andere Sichtweise
  • Bei einer persönlichen Bewertung / Interpretation ist es wichtig diese klar zu formulieren - z. B. Ich finde/meine,...meine Sichtweise ist,... Meiner Meinung nach,....

Gefühle 

Gefühle sind die Brücke zu den Bedürfnissen und sind im Körper spürbar. Sie werden mit " Ich bin".... gebildet.

Wie wir uns wahrscheinlich fühlen werden, wenn sich unsere Bedürfnisse erfüllen

angeregt

erleichtert

klar

sich freuen

aufgeregt

erstaunt

lebendig

spritzig

angenehm

fasziniert

leicht

still

ausgeglichen

freundlich

liebevoll

strahlend

befreit

fröhlich

locker

überglücklich

begeistert

gebannt

lustig

überrascht

berührt

gefasst

Lust haben

überschwenglich

beruhigt

gelassen

mit Liebe erfüllt

überwältigt

beschwingt

gespannt

motiviert

unbekümmert

bewegt

gerührt

munter

unbeschwert

eifrig

geschützt

mutig

vergnügt

energiegeladen

glücklich

neugierig

verliebt

energisch

gutgelaunt

optimistisch

wach

engagiert

heiter

ruhig

weit

entlastet

hellwach

satt

wißbegierig

entschlossen

hocherfreut

schwungvoll

zärtlich

entspannt

hoffnungsvoll

selbstsicher

zufrieden

erfreut

inspiriert

selbstzufrieden

zuversichtlich

erfüllt

jubelnd

selig

 

ergriffen

kraftvoll

sicher

 

aus Rosenberg 2013, S. 63

 

Wie wir uns wahrscheinlich fühlen werden, wenn sich unsere Bedürfnisse nicht erfüllen

ängstlich

enttäuscht

kribbelig

überwältigt

ärgerlich

entrüstet

lasch

voller Sorgen

alarmiert

ermüdet

leblos

unglücklich

angeekelt

ernüchtert

lethargisch

unter Druck

angespannt

erschlagen

lustlos

unbehaglich

voller Angst

erschöpft

miserabel

ungeduldig

ärgerlich

erschreckt

müde

unruhig

apathisch

erschrocken

mutlos

unwohl

aufgeregt

erschüttert

nervös

unzufrieden

ausgelaugt

erstarrt

niedergeschlagen

verärgert

bedrückt

frustriert

perplex

verbittert

beklommen

furchtsam

ruhelos

verletzt

besorgt

gehemmt

traurig

verspannt

bestürzt

geladen

sauer

verstört

betroffen

gelähmt

schlapp

verzweifelt

bitter

gelangweilt

schüchtern

verwirrt

deprimiert

genervt

schockiert

widerwillig

dumpf

hasserfüllt

schwer

wütend

durcheinander

hilflos

sorgenvoll

zappelig

einsam

in Panik

streitsüchtig

zitternd

elend

irritiert

teilnahmslos

zögerlich

empört

kalt

todtraurig

zornig

aus Rosenberg, 2013 S. 64

 

Pseudogefühle

Dabei werden Gefühle mit Gedanken vermischt. Gefühle werden nicht klar ausgedrückt, wenn nach dem Wort fühlen folgendes kommt:

  • Wörter wie dass, wie, als ob

"Ich habe das Gefühl, dass du es besser machst"

"Ich fühle mich wie ein Versager."

"Ich fühle mich, als ob ich mit der Wand spreche."

  • persönliche Pronomen ich, du, er, sie, es, wir, ihr, sie

"Ich habe das Gefühl, ich mache immer alles."

"Ich habe das Gefühl, es ist sinnlos."

  • Namen oder Hauptwörter, die sich auf Menschen beziehen

"Ich habe das Gefühl, Petra mag mich."

"Ich habe das Gefühl, mein Chef ignoriert mich."

Bedürfnisse

  • sind allgemein formuliert und haben viele Erfüllungsmöglichkeiten
  • sind positiv ausgedrückt
  • sind frei von Orts- oder Zeitangaben und unabhängig von der Mitwirkung anderer Menschen
  • werden mit "weil mir.... wichtig ist" oder"weil ich ..... brauche"

Bedürfnisliste

Autonomie

Verbindung mit anderen

Eigene Träume, Ziele, Werte wählen

Verschwiegenheit

Selbstbestimmung

Geborgenheit

Selbstverantwortung

Sicherheit

Freiheit

Fürsorge

 

Einfühlung

Integrität

Nähe

Echtheit, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit

Frieden

Offenheit, Flexibilität

Zugehörigkeit

Spontanität, Ausgeglichenheit

Gemeinschaft

 

Trost

Spielen

Verständnis

Lebensfreude, Leidenschaft

Verbindlichkeit

 

Vertrauen

Geistige Bedürfnisse

Wachstum

Begeisterung

Teilen

Frieden

Rücksichtnahme

Inspiration

Akzeptanz

Orientierung, Klarheit

Unterstützung

Schönheit, Kreativität, Harmonie

Respekt

Sinnhaftigkeit

Transparenz

   

Körperliche Bedürfnisse

Geburt, Tod, Trauern

Bewegung

Rituale

Gesundheit

Lebendigkeit

Luft, Wasser Nahrung, Obdach

 

Ruhe

 

Sexualität

 
   

Skriptum D. Bellamy 2015

 

Bitten

Es gibt 2 Bitten:

  • sachliche Lösungsbitten - ausführende Handlung zum jetzigen Zeitpunkt

z.B.   "Bitte sagen sie mir jetzt, ob es ihnen möglich ist, den Bericht bis morgen fertig zu machen."

  • Beziehungsklärungsbitten - Diese Bitte ist dann nützlich, wenn sie merken, dass das angesprochene Thema bei der anderen Person starke Gefühle auslöst
  1. B. " Wie geht es dir, wenn du das hörst?"

Kriterien für Bitten, die zum Handeln motivieren

  • Sagen Sie, was Sie möchten, statt was Sie nicht möchten

z.B.     vorher: " Bitte machen Sie nicht so lange Mittagspause."

            nachher: " Ich möchte Sie bitten, um 13 Uhr wieder im Büro zu sein,                            o.k.?"

  • Beschreiben Sie in ihrer Bitte konkretes, beobachtbares Verhalten, statt vage und abstrakt zu bleiben
  1. B. vorher: " Ich möchte, dass Sie sich mehr bemühen."

            nachher: "Bitte geben Sie mir jetzt Ihre Zusage, dass Sie bis Mittwoch
einen Plan machen, wann Sie welche Abschnitte im Projekt                              fertig stellen, einverstanden?"

  • Benennen Sie konkretes Verhalten, statt zu beschreiben, was die andere Person sein soll oder fühlen soll
  1. B. vorher: "Sei bitte rücksichtsvoll."

            nachher: "Kannst du bitte an die Tür klopfen, bevor du in mein Büro                            kommst?"

  • Achten Sie darauf, dass der Erfolg Ihrer Bitte jetzt und hier überprüfbar ist

z.B.     vorher: "Versprich mir, dass sich deine Leistungen in Mathe bis zum                        nächsten Zeugnis verbessern."

            nachher: "Ich möchte jetzt mit dir darüber sprechen, wie ich dich                                  unterstützen kann, damit du in Mathe eine Note besser wirst.                            Passt das für dich?

 

Wolf und Giraffe

Der Wolf ist die Seite in uns, vom bewertenden und interpretierenden Denken geleitete Art zu sprechen und zu hören. Die Giraffe spricht und hört ganzheitlicher als der Wolf. Sie kann ihre Gefühle und Bedürfnisse in das Gespräch einbinden. Natürlich kommen die Wolfs- und Giraffensprache mit ihrer Redens- und Verständigungsart nicht rein vor. Beide können wir mit jedem Gesprächspartner, in jeder Situation und in jedem Moment einsetzen.

"Manchmal bin ich ein Wolf mit Giraffenflecken, ein andermal eine Giraffe, die auf Wolfspfoten tanzt." (Rust, Wenn die Giraffe mit dem Wolf tanzt, 2015, S.23)

Gewaltfreie Kommunikation und das 4-Ohren Modell

Wolfsohren

Wolfsohr nach außen

  • Seine Grundenergie ist
  • Du bist die Ursache meines Ärgers.
  • Du bist verantwortlich für meine Gefühle.
  • Du musst dich ändern .
  • Du hast Unrecht - ich habe Recht.
  • Du hörst mir gar nicht zu, denn du willst mich gar nicht hören.
  • Ich fühle mich von dir bedroht, wenn ich mich nicht rechtfertige.
  • Ich muss gegen dich Argumente finden, sonst meinst du, du hättest Recht.
  • Der Wolf spricht zwar, aber nicht von sich, sondern vom Anderen.

Wolfsohr nach innen

  • Seine Grundenergie ist Angst.
  • Ich höre gar nicht richtig zu, denn das ist mir zu gefährlich.
  • Ich müsste mich ändern, Schuld eingestehen.
  • Ich gehe gar nicht auf dich ein, denn dann meinst du, ich würde dir Recht geben.
  • Ich muss mich gegen dich wehren, sonst machst du mit mir, was du willst und ich komme zu kurz.
  • Der Wolf hört zwar zu, ist aber ganz bei sich.

 

Giraffenohren

Giraffenohr nach innen

  • Spricht aus dem Herzen, ihre Grundenergie ist Liebe.
  • Ich verbinde mich mit meinen Gefühlen und Bedürfnisse und drücke sie aus.
  • Ich zeige mich, so wie ich jetzt bin.
  • Ich vertraue darauf, dass du im Grunde deines Herzens ein wohlwollender Mensch bist, und dass du mich hören kannst.
  • Wenn ich mich entsprechend ausdrücke, d.h. ohne dich zu bewerten oder zu kritisieren, sondern nur beschreibe, was ich sehe oder höre und sage, was ich fühle und brache, was mir wichtig ist, fällt es dir leichter mir zuzuhören.
  • Ich verwirre dich nicht durch vage und abstrakte Formulierungen, sondern sage klar und deutlich, was ich gerne von dir möchte. Solltest du als Wolf reagieren, werte ich das nicht als Angriff, sondern versuche deine Gefühle und Bedürfnisse dahinter zu erkennen.
  • Die Giraffe spricht und ist ganz bei sich.

 

Giraffenohr nach außen

  • Hört mit dem Herzen zu, ihre Grundenergie ist Liebe.
  • Ich bin aufrichtig daran interessiert, zu erfahren, wie es dir geht, was du fühlst und bräuchtest.
  • Ich höre aufmerksam, einfühlend zu und vergewissere mich, ob ich dich richtig verstanden habe, und ob auch du dich von mir verstanden fühlst.
  • Solltest du als Wolf sprechen, sehe ich dennoch in dir einen Menschen, der im Grunde wohlwollend ist, aber ein Bedürfnis hat, das nicht berücksichtigt ist.
  • Die Giraffe hört zu und ist dabei ganz beim Anderen.